Die Lateranbasilika in Rom ist die älteste Kathedrale der Welt, denn sie wurde bereits im vierten Jahrhundert unter Kaiser Konstantin erbaut. Doch unter der Basilika verborgen, zeugt ein komplexes Netzwerk aus Gängen und Gebäuderesten davon, dass der Caelius-Hügel in Rom schon vor dem Kirchenbau eine wechselvolle Geschichte hatte. Wer hier wann lebte, haben nun Archäologen des Lateran-Projekts rekonstruiert.
Sie war das Symbol einer Zeitenwende: Als der römische Kaiser Konstantin im vierten Jahrhundert die Lateranbasilika erbauen ließ, setzte er damit ein Zeichen für die Christianisierung des römischen Reiches. Die auf der Kuppe des Caelius-Hügels stehende Kirche war weithin sichtbar und thronte damit im realen wie im übertragenen Sinne über dem Rest der Stadt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das ursprüngliche Bauwerk allerdings mehrfach schwer geschädigt und wieder ausgebessert.
Spurensuche unterm Kathedralenboden
Besonders spannend aber ist das, was sich unter dem heute sichtbaren Kirchenbau verbirgt. Denn dort liegen in mehreren Schichten und durchzogen von zahlreichen Tunneln und Gängen die Zeugnisse der baulichen Vorgeschichte des Caelius-Hügels. Einige dieser Gänge stammen von frühen Ausgrabungen, andere wurden von Ingenieuren erschaffen. “Es handelt sich hier um zahlreiche ganz unterschiedliche Grabungen, die von verschiedenen Akteuren und im Laufe mehrerer Jahrhunderte erstellt worden sind”, erklärt Ian Haynes, Co-Leiter des Lateran-Projekts von der Newcastle University.
Die Archäologen des Lateran-Projekts haben nun erstmals alle Funde und Daten über diese komplexe Unterwelt der Lateranbasilika zusammengetragen und sie durch moderne Analysemethoden vervollständigt. Die Forscher nutzten unter anderem Bodenradar und Laserscans, um die verschiedenen Schichten akkurat zu kartieren und daraus digitale Modelle der Gebäude zu erstellen, die vor der Basilika auf dem Caelius-Hügel standen.
Erst die Villen der Elite, dann die imperiale Reitergarde
Das Ergebnis: Die ältesten Gebäudespuren auf dem Kathedralenhügel liegen in rund acht Metern Tiefe und stammen aus der Zeit der römischen Republik, wie die Archäologen berichten. Damals war der Hügel mit seiner weiten Aussicht ein Viertel, in dem reiche Römer wohnten – die Elite der Stadt. Von ihrem hohen Lebensstandard zeugen Relikte von kunstvollem Wandverputz, Marmorornamenten und Stuck. An einer Stelle entdeckten die Forscher die Überreste einer komplett mit Marmor verkleideten Wand.
Doch während der Herrschaft des Septimus Severus ab dem Jahr 193 mussten die prachtvollen Villen und ihre Bewohner einer praktischeren Nutzung des Hügels weichen. Als ein Feuer viele der reichen Villen zerstörte, nutzt der wegen seiner militärischen Erfolge auch als Soldaten-Kaiser berühmte Herrscher die Chance zu einem kompletten Abriss. Statt der Villen ließ er auf der Hügelkuppe eine befestigte Kaserne für seine kaiserliche Reiterei errichten. Für das sogenannte Castra Nova wurde die gesamte Hügelkuppe mit einer rechteckigen Plattform überbaut, auf der die Gebäude und Ställe der Reitersoldaten standen.
Vom Fort zum Kirchenbau
Die Reste der Castra Nova liegen heute zwischen 1,40 und 2,10 Meter unter dem Boden der Kathedrale. “An einer Stelle haben wir Zugang zu einem Teil des ehemaligen Hauptquartiers des Forts”, berichtet Haynes. “Dort sieht man noch Spuren von burgunderrotem Wandversputz und einem Mosaikboden.” Wie prachtvoll dieser Raum etwa um das Jahr 200 ausgesehen haben muss, haben die Forscher in einem digitalen 3D-Modell rekonstruiert. “Das Farbschema ist nicht gerade subtil, aber hier handelt es sich ja auch um die imperialen Reiter und Bescheidenheit war nicht gerade ihre Sache”, so Haynes.
Als dann Kaiser Konstantin im Jahr 312 seinen Vorgänger Maxentinus und dessen Truppen besiegte, wurde auch das Castra Nova weitgehend zerstört. Ähnlich wie andere zuvor militärisch genutzte Grundstücke vermachte Konstantin dieses Gelände nun der Kirche – und ließ bald darauf die erste Kathedrale der Welt dort errichten.
Quelle: Newcastle University, Current World Archeology