Wer wohnte in der berühmten Inka-Stadt in den peruanischen Anden? Eine genetische Untersuchung von in Machu Picchu begrabenen Menschen belegt nun: In dem nur zeitweise genutzten Herrschersitz lebte dauerhaft eine „bunt zusammengewürfelte“ Gemeinschaft aus Bediensteten. Sie waren aus teils erstaunlich weit entfernten Regionen des Inka-Imperiums an den entlegenen Ort gebracht worden, geht aus den genetischen Vergleichen hervor.
Hoch in den peruanischen Anden thront auf einem Berggrat eines der berühmtesten Baudenkmäler der Menschheit: Machu Picchu ist ein faszinierendes Zeugnis der Hochkultur der Inka. Die monumentalen Siedlungsstrukturen konnten Schätzungen zufolge bis zu 750 Menschen beherbergen. Lange blieb unklar, aus welcher Zeit der spektakuläre Komplex stammt und welchem Zweck er gedient hat. Mittlerweile sind sich Archäologen und Historiker aber weitgehend darüber einig, dass es sich um ein royales Anwesen gehandelt hat, das um 1420 n. Chr. erbaut worden war. Demnach kamen die Inkaherrscher und ihr Hofstaat aus der nahegelegen Hauptstadt Cusco hierher, um zeitweise in den Andenhöhen zu residieren.
Machu Picchu im paläogenetischen Spiegel
Auf dem Gelände wurden auch zahlreiche Gräber aus der Zeit zwischen 1420 und 1532 entdeckt, die aber nicht der edlen Gesellschaft zuzuordnen sind. Man nimmt an, dass diese Toten die eigentlichen Einwohner von Machu Picchu waren. Es handelte sich demnach um die Bedienstete, die sich um die royalen Besucher kümmerten, die Anlage aber auch dauerhaft bewohnten und pflegten. Aus Überlieferungen ist bekannt, dass die Männer dieser Gruppe „Yanacona“ und die Frauen „Aclla“ genannt wurden.
Um mehr über diese Menschen zu erfahren, hat ein internationales Forscherteam nun DNA aus Zähnen von 34 auf dem Areal von Machu Picchu begrabenen Menschen gewonnen und sequenziert. „Es ging uns in diesem Fall also nicht um Informationen zu den Eliten und Herrschern, sondern um Menschen mit niedrigerem Status“, sagt Co-Autor Jason Nesbitt von der Tulane University in New Orleans. Zum Vergleich dienten den Wissenschaftlern Genome aus menschlichen Überresten, die von Inka-Begräbnisstätten im nahe gelegenen Urubamba-Tal sowie aus der einstigen Hauptstadt Cusco stammten. Außerdem konnten sie die genetischen Daten mit weiteren Referenzgenomen aus verschiedenen Bereichen Südamerikas vergleichen.
Eine erstaunlich bunte Gemeinschaft
Wie die Forscher berichten, ging aus den Studienergebnissen eindeutig hervor, dass die in Machu Picchu begrabenen Menschen nicht aus der umliegenden Region stammten. Ihren genetischen Profilen zufolge liegen ihre Ursprünge in vielen unterschiedlichen Bereichen des einstigen Machtbereichs der Inka. Einige waren offenbar sogar aus dem Amazonasgebiet in den Residenz-Komplex in den peruanischen Anden gelangt. Nur wenige von ihnen wiesen genetische Gemeinsamkeiten auf, was belegt, dass sie als Einzelpersonen und nicht als Teil einer Familie oder Gruppe nach Machu Picchu gebracht worden waren. Später vermischten sich die Menschen aber offenbar auch und erzeugten eine genetisch sehr vielfältige Population. „Die Ergebnisse belegen eine sehr bunte Gemeinschaft aus Bediensteten in Machu Picchu, in der Menschen mit unterschiedlichem genetischen Hintergrund zusammen lebten, sich fortpflanzten und gemeinsam bestattet wurden“ resümieren die Forscher.
Die Ergebnisse passen ihren zufolge auch zu historischen Hinweisen über die „Yanacona“ und „Aclla“ – die Bediensteten der royalen Eliten. Es handelte sich demnach um Menschen, die von den Inka aus eroberten Gebieten mitgenommen wurden oder als „Geschenke“ überbracht worden waren. Sie wurden zwar verschleppt, doch den Überlieferungen und archäologischen Befunden zufolge behandelte man diese Personen im Umfeld des Herrscherhauses anschließend vergleichsweise gut und sie galten als privilegiert.
Das enorme Ausmaß der Diversität dieser Gruppe in Machu Picchu überraschte die Forscher allerdings. „Besonders unerwartet war die Feststellung, dass einige dieser Personen sogar amazonischen Ursprungs waren“, hebt Erst-Autorin Lucy Salazar von der Yale University hervor. Dazu schreibt das Team abschließend: „Die starke Präsenz von Individuen, insbesondere von Frauen, aus mehreren Zonen der bewaldeten östlichen Andenhänge und des Amazonas-Tieflandes verweist auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zur Rolle dieser Regionen für das Inkareich“.
Quelle: Tulane University, Yale University, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adg3377