Im fünften Jahrhundert vor Christus wurde die griechische Stadt Himera auf Sizilien zweimal von Karthagern angegriffen – das erste Mal gewannen die Griechen, das zweite Mal fiel Himera. Jetzt enthüllen Isotopenanalysen von Überresten einiger damals gefallener Soldaten, dass Himera seinen ersten Sieg vor allem fremden Söldnern verdankte, die die griechischen Truppen unterstützten – eine Tatsache, die von den Geschichtsschreibern unterschlagen wurde.
Der 648 v. Chr. gegründete Stadtstaat Himera lag an der Nordküste Siziliens und damit an einem strategisch besonders günstigen Ort. Denn unmittelbar vor der Küste verliefen wichtige Seehandelsrouten und auch viele Handelswege über Land gingen von Himera aus. Unter anderem deswegen herrschte zwischen den Stadtstaaten Siziliens starke Konkurrenz, zumal sich einige Städte dem griechischen Staatenbund zurechneten, andere dagegen zu den phönizischen Karthagern hielten.
Kampf um Himera
Im fünften Jahrhundert v. Chr. kulminierten diese Konflikte in zwei großen Schlachten um Himera zwischen den Griechen und den Karthagern. Beim ersten Kampf um die Stadt im Jahr 480 v. Chr. gelang es den Griechen, den Angriff abzuwehren. Die griechischen Geschichtsschreiber Herodot und Diodorus Siculus berichten, dass dies auf die Hilfe griechischer Verbündeter aus anderen Stadtstaaten auf Sizilien zurückzuführen war. Während die in den Augen der Griechen “barbarischen Karthager” sich der Hilfe von bezahlter Söldner bedienten, wird dies für die griechische explizit nicht erwähnt. Bei der zweiten Schlacht im Jahr 409 v. Chr. war Himera laut den historischen Berichten weitgehend auf sich allein gestellt und verlor die Schlacht – Himera fiel an die Karthager.
Ob diese Darstellung der antiken Geschichtsschreiber stimmt und wer tatsächlich in den beiden Schlachten von Himera gegen die Karthager kämpfte, haben nun Katherine Reinberger von der University of Georgia und ihre Kollegen untersucht. Ihr Verdacht: Möglicherweise haben Herodot und Diodorus ihre Berichte geschönt, um die griechischen Ideale in den Vordergrund zu rücken. Denn wie Reinberger erklärt, waren die aus den griechischen Stadtstaaten rekrutierten Soldaten, die sogenannten Hopliten, der Inbegriff des antiken Ideals von Ehre, Bürgertum und Demokratie. Demgegenüber galt die Anheuerung von barbarischen Söldnern als wenig ruhmreich. Es könnte daher sein, dass Herodot und seine Zeitgenossen bewusst verschwiegen, dass Söldner damals auch auf griechischer Seite eingesetzt wurden.
Söldner auch auf griechischer Seite
Für ihre Studie untersuchten Reinberger und ihr Team die Überreste von 62 Soldaten, die in den Schlachten um Himera auf griechischer Seite gekämpft hatten und die in mehreren Massengräbern bestattet worden waren. 51 dieser Toten waren in der ersten Schlacht von 480 v. Chr. gefallen, elf in der zweiten. Die Forschenden analysierten die Verhältnisse verschiedener Strontium- und Sauerstoff-Isotope in den Zähnen und Knochen der gefallenen Soldaten. Weil diese Isotope zu Lebzeiten mit der Nahrung und dem Wasser aufgenommen werden und sich im Körper anreichern, geben sie Hinweise darauf, woher diese Menschen stammen.
Die Auswertungen enthüllten, dass Herodot zumindest in Bezug auf die erste Schlacht nicht die ganze Wahrheit geschrieben hat. Zwar hatten die Bürger von Himera damals tatsächlich Hilfe von außen. Aber anders als er es darstellte, stammten die vermeintlichen Verbündeten nicht aus benachbarten griechischen Stadtstaaten auf Sizilien. “Die meisten Individuen in den Massengräbern der Schlacht von 480 v. Chr. sind nicht lokaler Herkunft”, berichten Reinberger und ihre Kollegen. “Die Isotopendaten deuten darauf hin, dass viele dieser Soldaten nicht aus Sizilien kamen, sondern von anderswo im Mittelmeerraum. Wahrscheinlich waren sie Söldner, die zur Verstärkung der griechischen Armee angeworben wurden.” Den Isotopenwerten nach könnte es sich um Söldner aus Kleinasien oder sogar aus Katalonien gehandelt haben.
Geschönte Berichte
Nach Ansicht der Wissenschaftler unterstreichen ihre Ergebnisse, wie wichtig die Überprüfung historischer Aufzeichnungen durch archäologische Funde ist. Denn die Schilderungen der antiken Geschichtsschreiber seien häufig durch zeitgenössische Ansichten und Vorurteile gefärbt – so auch bei Herodot und Diodorus. “Die ethnozentrischen Berichte der antiken Autoren spielen bewusst die wahre, heterogene Zusammensetzung der griechischen Kolonien und Armeen herunter”, erklären Reinberger und ihr Team. Denn entgegen den Darstellungen heroischer rein griechischer Allianzen und ihren Schlachten war es auch unter den griechischen Stadtstaaten durchaus üblich, fremde, “barbarische” Söldner anzuheuern.
Bei der zweiten Schlacht um Himera allerdings decken sich die Schilderungen der griechischen Geschichtsschreiber und die Ergebnisse der Isotopenanalysen: “Die meisten Individuen in den Massengräbern von 409 v. Chr. zeigen lokale Isotopenwerte, was die historischen Berichte bestätigt, nach denen Himera in dieser Schlacht fast nur von lokalen Soldaten verteidigt wurde”, schreibt das Forschungsteam. Das Fehlen der Söldner könnte demnach für den Fall der Stadt Himera mitverantwortlich gewesen sein.
Quelle: PLOS; Fachartikel: PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0248803