Bei ihrer Eroberung der Neuen Welt schleppten die Europäer auch neue Infektionskrankheiten ein -und brachten damit Millionen Ureinwohnern den Tod. Doch auch der transatlantische Sklavenhandel trug zur Ausbreitung neuer Viren auf dem amerikanischen Kontinent bei, wie nun DNA-Analysen von im 16. Jahrhundert gestorbenen Toten aus Mexiko belegen. Sie trugen Erbgut von Hepatitis- und Parvoviren in sich, die zu dieser Zeit nur in Afrika vorkamen.
Schon kurz nach Beginn der europäischen Kolonisierung der Neuen Welt kam es fast überall auf dem amerikanischen Kontinent zu dramatischen Epidemien und einem Kollaps der indianischen Populationen. Millionen Ureinwohner starben an für sie und ihr Immunsystem völlig neuen Krankheitserregern, die von den Europäern eingeschleppt worden war. Welche bakteriellen oder viralen Erreger konkret für diese Epidemien verantwortlich waren, ist allerdings bis heute kaum bekannt. Im Verdacht stehen unter anderem in Europa damals weitverbreitete Infektionen wie Masern, Mumps oder Pocken.
Genetische Spurensuche bei frühen Seuchenopfern in Mexiko
Im Gebiet des heutigen Mexiko zeugen historische Berichte davon, dass die ersten Epidemien schon kurz nach Ankunft der Spanier ausbrachen. Besonders viele Todesfälle gab es dann im 16. Jahrhundert, nachdem Mexiko zur spanischen Kolonie geworden war. “Die indigenen Populationen wurden zu Millionen von dieser als Cocolitzli – Pest auf Nahuatl – bezeichneten Seuche hinweggerafft”, erklären Axel Guzmán-Solís von der Autonomen Nationaluniversität Mexikos. “Aber welche Erreger für diese Ausbrüche verantwortlich waren ist unbekannt.” Um mehr Klarheit zu gewinnen, begaben sich Guzmán-Solís und seine Kollegen auf eine genetische Spurensuche.
Für ihre Studie analysierte das Forscherteam 21 DNA-Proben der mehrere hundert Toten, die im 15. und 16. Jahrhundert im Umfeld des Hospital Real de San José de los Naturales (HSJN) begraben worden waren. Dieses koloniale Krankenhaus auf dem Gebiet des heutigen Mexico City war das erste in Mexiko, in der auch die indigene Bevölkerung behandelt wurde. Fünf weitere DNA-Proben stammten vom Friedhof der wenige Kilometer entfernt liegenden Kapelle “La Concepcion”. Im Erbgut dieser Toten suchten Guzmán-Solís und sein Team gezielt nach den genetischen Spuren, die Viren im Zuge einer Infektion bei ihnen hinterlassen haben könnten.
Hepatitis- und Parvoviren aus Afrika
Tatsächlich wurden die Wissenschaftler fündig: In 17 DNA-Proben konnten sie Gensignaturen von Viren nachweisen, darunter Hepatitis-B-Viren, die Gelbsucht und Leberschäden verursachen, sowie Gene des Parvovirus B19, einem Erreger, der die Kinderkrankheit Ringröteln auslöst, aber auch schwere Anämien verursachen kann. Das Interessante daran: Die bei den Toten nachgewiesenen Stämme dieser Viren kamen zur damaligen Zeit nicht in Europa und auch noch nicht in Amerika vor, sondern nahezu ausschließlich in Afrika. Nähere Analysen ergaben, dass auch die Träger dieser Infektionen und viele weitere der damals am Hospital begrabenen Toten afrikanischer Herkunft waren – es handelte sich offenbar um Sklaven oder ihre Nachkommen.
Aus historischen Dokumenten ist bekannt, dass die Spanier schon kurz nach der Eroberung Mittelamerikas damit begannen, Sklaven aus Afrika in ihre neuen Kolonien zu bringen. “Millionen von Menschen wurden damals unter unmenschlichen Bedingungen aus Afrika entführt und nach Amerika gebracht – allein 250.000 davon nach Neuspanien”, berichten die Forscher. Auf der Überfahrt waren die Sklaven in den überfüllten Laderäumen der Schiffe zusammengepfercht und mussten dort wochenlang unter unhygienischsten Bedingungen ausharren. Nach Ansicht von Guzmán-Solís und seinem Team führte dies nicht nur dazu, dass viele der Sklaven auf der Überfahrt und danach an Infektionen erkrankten, sie könnten die Erreger nach ihrer Ankunft auch auf die indigene Bevölkerung Mexikos übertragen haben.
Sklavenhandel förderte Seuchen-Ausbreitung
“Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass die spanischen Kolonisten nicht nur selbst Erreger in die Neue Welt mitbrachten, sondern die Ausbreitung neuer Viren auch durch ihren Sklavenhandel förderten”, sagt Co-Autor Daniel Blanco-Melo von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. “Die schlimmen Lebensbedingungen, unter denen die versklavten Afrikaner und die amerikanischen Ureinwohner gerade in der Anfangszeit der spanischen Kolonisierung leben mussten, förderte dann noch die Übertragung und Weiterverbreitung der neuen Erreger.”
Das Team geht davon aus, dass auf diese Weise nicht nur die beiden jetzt nachgewiesenen DNA-Viren nach Mittelamerika gelangten, sondern vermutlich auch weitere, bisher nicht nachweisbare Erreger, deren Erbgut aus RNA besteht. “Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass damals mehrere neueingeschleppte Viren gleichzeitig zirkulierten”, sagt Guzmán-Solís’ Kollegin Maria Ávila-Arcos. Die indigene Bevölkerung, deren Immunsystem noch nie zuvor Kontakt mit diesen Viren hatte, konnte diesen neuartigen Infektionen nichts entgegensetzen und erkrankte entsprechend schwer. “Das könnte erklären, warum die Epidemien für die indigenen Gemeinschaften so tödlich waren”, so Ávila-Arcos.
Quelle: eLife, doi: 10.7554/eLife.68612