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Assyrischer Ziegel gibt Pflanzen-DNA preis

Archäologie

Assyrischer Ziegel gibt Pflanzen-DNA preis
Die Inschrift weist diesen Lehmziegel als Baustein des Palastes des neuassyrischen Königs Ashurnasirpal II. (bis 869 v. Chr.) aus. © Arnold Mikkelsen og Jens Lauridsen.

Zeitkapsel mit Keilschrift-Signatur: Forscher haben aus einem 2900 Jahre alten Lehmziegel eines neuassyrischen Königspalasts DNA-Spuren isoliert. Sie liefern Hinweise auf Wild- und Kulturpflanzen im Zentrum des geheimnisvollen Großreichs im Nahen Osten. Vor allem ist die Studie aber wegweisend, sagen die Forscher: Das Verfahren könnte nun auch bei anderen archäologischen Funden aus Tonmaterialien eingesetzt werden, um Lebewesen im Umfeld der Bewohner alter Kulturstätten auf die Spur zu kommen.

Die moderne Genetik hat auch die Erforschung der Menschheitsgeschichte revolutioniert: Erbgut-Spuren, die in Knochen oder in bestimmten Materialien die Zeit überdauert haben, können Einblicke gewähren, die traditionelle Techniken der Archäologie nicht bieten. Forscher entdecken auch immer weitere Möglichkeiten, genetisches Material aus längst vergangenen Lebenswelten zu gewinnen. Ein dänisch-britisches Forscherteam rückt dabei nun Materialien in den Fokus, die oft bei Ausgrabungen in verschiedenen Kontexten gefunden werden: Objekte und Strukturen aus Lehm oder Ton.

Bei ihrem Untersuchungsobjekt handelt es sich um einen Lehmziegel aus der Sammlung des Dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen. Er stammt aus einer Ausgrabung in den Ruinen der einstigen neuassyrischen Residenzstadt Kalhu am Fluss Tigris im heutigen Nordirak. Der Baustein lässt sich genau zuordnen, denn er wurde nach seiner Fertigstellung einer bestimmten Verwendung zugeschrieben: Eine Keilschrift in akkadischer Sprache besagt, dass er zum Palast des Königs Ashurnasirpal II. gehörte. Somit lässt sich der Lehmziegel auf dessen Regierungszeit datieren, die bis 869 v. Chr. reichte.

Tonobjekte als Zeitkapseln

Wie die Wissenschaftler berichten, entwickelte sich die Idee zur Untersuchung durch ein kleines Unglück: Bei einer Begutachtung brach der Lehmziegel. Dadurch wurde Material offengelegt, das rund 2900 Jahre eingeschlossen und damit auch vor genetischen Kontaminationen aus neuerer Zeit geschützt geblieben war. So entschlossen sich die Forscher auszuloten, inwieweit sich alte DNA-Spuren aus dem Lehm gewinnen lassen. Potenzial lag nahe, denn Lehmziegel wurden einst aus einer Mischung von tonhaltigen Erden und organischen Materialien wie Stroh oder Mist hergestellt und luftgetrocknet. Um genetisches Material aus Proben von der inneren Bruchregion des Ziegels zu gewinnen, modifizierten die Forscher Protokolle, die bisher für andere poröse Materialien wie Knochen verwendet werden.

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Die Bemühungen waren erfolgreich: „Wir waren begeistert, als wir feststellten, dass sich tatsächlich vor Kontaminationen geschützte DNA aus diesem 2900 Jahre alten Ziegelstein extrahieren ließ“, sagt Co-Erstautorin Sophie Lund Rasmussen von der University of Oxford. Anschließend konnten die Wissenschaftler das genetische Material für eine metagenomische Analyse einsetzten. Bei diesem Verfahren werden die gefundenen DNA-Fragmente sequenziert und dann mit Referenzdatenbanken verglichen. So können sie bekannten Lebewesen oder zumindest Organismengruppen zugeordnet werden. Im Rahmen der Studie beschränkten sich die Forscher bisher auf die Bewertung von pflanzlicher DNA, da sie die besten Resultate lieferte.

Hinweise auf Biodiversität und Kulturpflanzen

Wie sie berichten, konnten sie genetische Spuren von 34 verschiedenen Pflanzengruppen identifizieren. Vermutlich gelangten sie vor allem durch die Beimischung von Heu bei der Herstellung des Ziegels in das Material. Es liegt dabei nahe, dass es sich um die Überreste von Wild- und Kulturpflanzen gehandelt hat, die damals im Bereich der Stadt wuchsen oder angebaut wurden. Neben Wildpflanzengruppen fanden die Forscher auch die genetischen Spuren von Vertretern der Kulturgräser (Triticeae). Zu ihnen gehören etwa Weizen, Gerste und Roggen. Außerdem fanden sich DNA-Sequenzen von Doldenblütlern (Selineae). Bekannte Vertreter dieser Gruppe sind beispielsweise Karotten.

Besonders heben die Forscher DNA der Gattung Brassica hervor, zu der die verschiedenen Kulturformen des Kohls gehören. Denn bisher ist deren Domestikationsgeschichte unklar. Möglicherweise wurde demnach vor 2900 Jahren eine Form dieser Pflanzen in der Region kultiviert. „Aufgrund der Inschrift auf dem Ziegel können wir das Material einem bestimmten Zeitraum zuordnen, was bedeutet, dass der Ziegel eine Art Zeitkapsel mit biologischen Informationen repräsentiert. In diesem Fall ergibt sich ein besonderer Bezug zu den alten Assyrern“, sagt Co-Erstautor Troels Arbøll von der Universität Kopenhagen.

Neben den konkreten Befunden sehen die Wissenschaftler in ihren Ergebnissen aber vor allem weiterführendes Potenzial: Tonmaterialien sind in fast allen archäologischen Stätten auf der ganzen Welt vorhanden und aufgrund ihres Kontexts können sie oft recht genau datiert werden. Somit könnten sich für die Methode viele Anwendungsmöglichkeiten bieten. Neben Pflanzen ließen sich zukünftig auch Tiere identifizieren und möglicherweise könnten Weiterentwicklungen der Technologie auch genauere Artzuordnungen ermöglichen, so die Forscher.

Quelle: University of Oxford, Fachartikel: Nature Scientific Reports, doi:
10.1038/s41598-023-38191-w

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