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Antikes Stadtarchiv freigelegt

Archäologie

Antikes Stadtarchiv freigelegt
Tonklumpen mit verschiedenen Siegelprägungen verschlossen einst archivierte Dokumente aus Papyrus oder Pergament. © Forschungsstelle Asia Minor

Zeugnis des hochentwickelten Verwaltungssystems im Römischen Reich: Archäologen haben die Überreste des Dokumenten-Archivs der syrisch-römischen Stadt Doliche im Süden Kleinasiens ausgegraben. Von dieser Funktion zeugen Funde von über 2000 Siegelabdrücken aus Ton, die einst zum Verschluss von gelagerten Schriftstücken dienten. Neben dem Nachweis des antiken „Amtsgebäudes“ spiegeln sich in den Motiven der Siegel auch Glaubensvorstellungen der Menschen im 3. Jahrhundert n. Chr. wider, sagen die Wissenschaftler.

Der Blick richtete sich auf den Bereich der heutigen Metropole Gaziantep im Südosten der Türkei, nahe der syrischen Grenze. Dort befand sich auch schon in der Antike eine bedeutende Stadt: Doliche wurde um 300 v. Chr. gegründet und entwickelte sich in der Ära der seleukidischen Herrschaft dann zu einer Handelsstadt. Außerdem zog ein nahegelegenes Heiligtum Besucher an, das einem in Nordsyrien und Anatolien verehrten Sturm- und Gewittergott geweiht war. Zu seiner vollen Blüte gelangte Doliche aber erst unter der Herrschaft der Römer, die bereits 30 v. Chr. begann. Das Besondere ist dabei: Sie verbanden den traditionellen Gott der Stadt mit ihren Glaubensvorstellungen und verehrten ihn schließlich unter der lateinischen Bezeichnung Iupiter Dolichenus. Daraus entwickelte sich eine wichtige Kultform, die sich schließlich in alle Teile des Römischen Reiches verbreitete. Dies brachte dem Ursprungsort Bedeutung und Wohlstand.

Ein reicher Fundort

Doch im Jahre 253 n. Chr. fand diese Blütezeit Doliches ein gewaltsames Ende: In der Folge eines Krieges zwischen dem römischen und persischen Reich zerstörte der Großkönig Šāpūr I. die Stadt. Nach dem Brand wurde das Stadtzentrum dann nicht mehr wieder aufgebaut. Für die Archäologie avancierte dies allerdings zu einem Glücksfall, da viele Strukturen aus der Zeit bis 253 n. Chr. konserviert und nicht überbaut wurden. Seit 1997 hat dort ein archäologisches Projekt unter der Beteiligung der Universität Münster zahlreiche interessante Spuren aus der Antike ausgegraben. Nun berichtet das internationale Forschungsteam über einen weiteren bedeutenden Fund in den Überresten Doliches.

Es handelt sich um die Spuren eines Gebäudes, von dem das aus massiven Kalksteinquadern errichtete Fundament erhalten geblieben ist. „Die Strukturen lassen eine Abfolge von Räumen erkennen, die sich zu einem lang gestreckten Baukomplex zusammenfügten“, sagt Engelbert Winter von der Universität Münster. Das komplette Ausmaß ist noch unklar, bisher konnten aber schon acht Meter Breite und 25 Meter Länge nachgewiesen werden. Aus der massiven Bauweise der Grundmauern geht hervor, dass der Baukomplex mehrstöckig gewesen sein muss, erklären die Archäologen.

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Tönerne Spuren verbrannter Archivdokumente

Wie sie berichten, geht aus der Menge spezieller Funde die einstige Funktion des Gebäudes deutlich hervor: Mehr als 2000 Siegelabdrücke belegen, dass es das städtische Archiv Doliches war. Bei diesen Objekten handelt es sich um gestempelte Tonklumpen mit Größen von etwa fünf Millimetern bis zwei Zentimetern. Mit ihnen wurden Schriftstücke wie etwa Verträge aus Papyrus und Pergament verschlossen, erklären die Experten. Die Archivdokumente selbst wurden offenbar bei dem großen Brand von 253 n. Chr. vernichtet, doch die tönernen Siegel blieben erhalten. Es handelt sich dem Team zufolge bei dem Gebäude und den Spuren seines einstigen Inhalts um bedeutende Funde. Denn es gab zwar Archive zur Verwahrung von Dokumenten in jeder Stadt, bisher wurden aber erst wenige solcher Gebäude des Römischen Reiches identifiziert.

Außerdem geben die Motive der Siegelabdrücke interessante Hinweise auf die Verwaltungspraxis und die kulturelle Prägung der Bewohner der Region: „Die Bilder der offiziellen Stadtsiegel haben einen direkten städtischen Bezug. In der Regel zeigen sie deren wichtigste Gottheiten wie Jupiter Dolichenus, den Hauptgott der Stadt“, sagt Michael Blömer von der Universität Münster. Die Abdrücke der kleineren privaten Siegel zeigen außerdem eine breite Palette von Bildern und Symbolen, die viel über die kulturelle Prägung der Bewohner Doliches verraten. „Die Götter auf den Siegeln geben Einblicke in die religiöse Umwelt der Menschen. Mythische Figuren oder seltene Privatporträts sprechen für eine starke griechisch-römische Prägung“, sagt der Archäologe.

Man kann auch weiterhin gespannt sein, was das Team noch entdecken wird, denn die Ausgrabungen in den Überresten Doliches werden weitergehen: „Wann ein solches Stadtgrabungsprojekt vorbei ist, lässt sich nicht vorhersagen. Für die nächste Generation sehe ich noch gute Chancen“, sagt Winter.

Quelle: Universität Münster

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