Nicht nur Reis – in China hat auch der Weizen traditionell eine enorme Bedeutung. Wie das prominente Getreide dort Einzug hielt, belegen nun Datierungen von Funden an verschiedenen Orten in Ostasien. Demnach erreichte der Weizen Ost-China erstmals etwa 2600 Jahre v. Chr. und verbreitete sich dann zunächst zögerlich. Die Ergebnisse widersprechen somit der bisherigen Annahme eines kontinuierlichen West-Ost-Transfers des Weizenanbaus. Den Forschern zufolge blieb Weizen wahrscheinlich zunächst ein Luxusprodukt für die Eliten, bevor er zu einem Grundnahrungsmittel avancierte.
Klar ist: Der Weizenanbau gehört zu den Fundamenten der Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Man geht davon aus, dass das Getreide bereits etwa 8500 Jahre v. Chr. im Bereich des Fruchtbaren Halbmonds im Nahen Osten domestiziert wurde. Seine anschließende Verbreitung nach Europa gilt als gut erforscht. Doch wann, wie und warum er nach Ostasien kam, ist vergleichsweise unklar. Eigentlich schien China Weizen gar nicht zu brauchen: Das Reich der Mitte besaß vor seiner Ausbreitung schon eine produktive Landwirtschaft mit Reis und zwei Sorten Hirse.
Dennoch gewann der Anbau des neuen Getreides schließlich auch in China große Bedeutung. Der Beginn dieser Karriere fällt dabei in die Zeit des Übergangs vom Neolithikum zur Bronzezeit. Diese Ära gilt auch in China als der Anfang der Entwicklung staatlicher Strukturen. Somit scheint die Verbreitung von Weizen mit der Geburt der chinesischen Zivilisation verknüpft zu sein.
Dem Weizen auf der Spur
Der interessanten Geschichte des Weizens in China haben nun Forscher des Deutschen Archäologischen Instituts, der Freien Universität Berlin und der chinesischen Shandong-Universität Jinan eine Studie gewidmet. Sie bestimmten das Alter von verkohlten Weizenkörnern von sechs Fundplätzen auf den Halbinseln Shandong und Liaoning mit der Radiokarbonmethode. Anschließend integrierten sie die Datierungsergebnisse in ein Modell, das die Chronologie des Erscheinens des Weizen in verschiedenen Gebieten Chinas rekonstruiert.
Aus den Datierungen geht hervor: Am unteren Gelben Fluss traf der Weizen etwa 2600 v. Chr. ein, erst rund 1900 v. Chr. am Oberlauf in Gansu sowie in Xinjiang und ungefähr 1600 v. Chr. erreichte er dann schließlich auch Regionen am mittleren Gelben Fluss und in Tibet. Diese Chronologie widerspricht der bisherigen Annahme, dass sich der Anbau sukzessive von West nach Ost in China ausgebreitet hat. Den Forschern zufolge zeichnet sich nun eher ab, dass der Weizenanbau über die eurasischen Steppen in den chinesischen Siedlungsbereich gelangte und sich zunächst nur am Unterlauf des Gelben Flusses etablierte.
Zunächst eine Speise der Oberschicht?
Dabei handelte es sich um eine geschichtlich besonders bedeutende Region: Vor allem ab dem frühen dritten Jahrtausend v. Chr. ist am Unterlauf des Gelben Fluss bereits eine hochentwickelte Kultur gut belegt. Sie umfasste auch Eliten, die Luxus schätzten: In Funden von feinem Geschirr spiegelt sich wider, wie die gehobene Schicht damals elegant speiste. Gerichte oder Getränke, die aus dem exotischen Getreide Weizen gemacht wurden, könnten als Symbol von Macht und Status eine wichtige Rolle gespielt haben, sagen die Forscher. Ihnen zufolge bietet diese anfängliche Beschränkung eine Erklärung dafür, warum Weizen nach seiner Ankunft nicht gleich zu einem Grundnahrungsmittel in China wurde. Diese Karriere begann wohl erst frühestens nach 1600 v. Chr., sagen die Forscher.
Quelle: Deutsches Archäologisches Institut, Nature Plants doi: 10.1038/s41477-018-0141-x