Einst erstrahlten die Wandreliefs in goldenem Schimmer und bunten Farben: Restaurierungsarbeiten im Allerheiligsten des Horus-Tempels von Edfu haben seltene Überreste von Blattgold und farbenfrohen Malereien aufgedeckt. Das Expertenteam fand außerdem Spuren handschriftlicher Zeugnisse der Priester an den Wänden, in denen sich die religiösen Vorstellungen der alten Ägypter widerspiegeln.
Er vermittelt noch immer eindrucksvoll die altägyptische Monumentalarchitektur: Das Horus-Heiligtum der oberägyptischen Stadt Edfu gilt als der am besten erhaltene Tempel aus der Zeit der Pharaonen. Die Anlage ist 137 Meter lang und besitzt einen 76 Meter breiten und 35 Meter hohen Portalbau (Pylon). Die Konstruktion erfolgte schrittweise zwischen 237 und 57 v. Chr. unter der Herrschaft der Könige Ptolemaios III. bis XII. Die Anlage umfasst ein für die altägyptischen Tempel typisches System aus Höfen, Säulenhallen, Räumen und Dekorationen, deren Traditionen bis ins dritte Jahrtausend vor Christus zurückgehen. Im Zentrum des Edfu-Tempels befand sich ein Raum, in dem die Statue sowie die Barke des Falkengottes Horus aufbewahrt wurde, dem das Heiligtum gewidmet war.
Der erstaunlich gute Erhaltungszustand der Anlage ist auf die jahrhundertelange Verschüttung durch Sand zurückzuführen. Doch ein wichtiger Aspekt der einstigen Pracht ist wie bei vielen anderen Tempelanlagen Ägyptens weitgehend verschwunden: Die heute noch gut sichtbaren Reliefs an den Wänden, Säulen und Decken waren einst farbenfroh ausgeschmückt. Es ist auch bekannt, dass einige Elemente mit vergoldeten Kupferfolien überzogen oder mit dünnen Blattgoldverzierungen belegt waren. Reste dieser schimmernden Dekorationen sind in den Tempelanlagen Ägyptens bisher nur selten nachgewiesen worden.
Spuren einstigen Glanzes
Doch nun wurden neben Resten der Bemalung auch Spuren der Vergoldungen im Tempel von Edfu entdeckt. Sie kamen im Rahmen eines Restaurationsprojektes von ägyptischen Fachleuten gemeinsam mit Experten der Universität Würzburg zum Vorschein. Dabei wurden die Sandsteinreliefs im Barken-Heiligtum von Staub, Vogelkot und anderen Ablagerungen wie Ruß befreit und untersucht. Wie das Team berichtet, deckte dies an zahlreichen Stellen in den höheren Wandbereichen Überreste der einstigen Vergoldung auf.
„Die Vergoldung der Figuren diente vermutlich nicht nur dazu, sie symbolisch zu verewigen und zu vergöttern, sondern trug auch zur mystischen Aura des Raumes bei. Das muss sehr beeindruckend gewesen sein, vor allem, wenn das Sonnenlicht hineinschien“, sagt Victoria Altmann-Wendling von der Universität Würzburg. „Besonders interessant ist auch die Tatsache, dass die Götter komplett vergoldet waren. Das finden wir auch in den Textquellen, die Gold als Fleisch der Götter beschreiben“, so die Ägyptologin.
Korrigierte Hieroglyphen und persönliche Inschriften
Auch die neu entdeckten Spuren mehrfarbiger Malereien gaben neue Hinweise auf das einstige Aussehen des Raumes. Dabei wurden Details dargestellter Szenen und Hieroglyphen deutlich, die im Relief allein nicht zu erkennen waren.
Denn es wurden zum Beispiel Elemente der Kleidung oder der Opfergaben einst farblich akzentuiert. Das Team stieß außerdem auf Beispiele dafür, wie die Farben verwendetet wurden, um fehlerhaft in Stein gemeißelte Hieroglyphen nachträglich zu korrigieren. „In der Malerei wird hier ein antikes Qualitätsmanagement sichtbar“, sagt Projektleiter Martin Stadler von der Universität Würzburg.
Wie das Team abschließend berichtet, werden die Entdeckungen durch Spuren von sogenannten Dipinti abgerundet. Es handelt sich dabei um mit Tinte handgeschriebene Textzeugnisse in demotischer Schrift. Wie eine Art Graffiti haben Priester sie offenbar einst an der Wand im Barkenheiligtum hinterlassen. Es handelte sich dabei um an Horus gerichtete Gebete, sogenannte Proskynemata. Bisher sind solche persönlichen Inschriften eher von den äußeren Tempelbereichen oder Türöffnungen bekannt, aber nicht aus dem Allerheiligsten selbst, wo sich die Barke und die Statue des verehrten Gottes befanden, sagen die Experten.
„Diese Funde geben somit neue Einblicke in die ‘Raumbiographie’ des Tempels sowie in die Glaubensvorstellungen und Kultpraktiken der Priester“, schreibt die Universität Würzburg in ihrer Mitteilung zu den Entdeckungen im Rahmen des Restaurationsprojekts.
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg