Vom Holstentor bis zu den zahlreichen Altstadthäusern mit den typischen Treppengiebeln – die Hansestadt Lübeck ist berühmt für ihre Ziegelarchitektur. Nun haben Archäologen den bisher ältesten bekannten Überrest eines Lübecker Backsteinhauses aufgedeckt. Offenbar wurde das turmartige Gebäude am Ufer der Trave in den 1170er-Jahren erbaut – zeitgleich mit der nahegelegenen Kirche St. Peter. Spuren von Verzierungen lassen vermuten, dass es sich um das repräsentativ gestaltete Kontor eines reichen Kaufmanns oder um ein kirchliches Gebäude gehandelt hat.
Wie die Stadt Lübeck in einer Mitteilung erklärt, kam es zu den archäologischen Funden im Rahmen von Bauarbeiten am Kolk. Dabei handelt es sich um eine 110 Meter lange Straße, die am westlichen Rand der Altstadtinsel verläuft. Im Bereich unterhalb der Kirche St. Petri entsteht dort aus dem ehemaligen TheaterFigurenMuseum und dem Figurentheater eine neue Lübecker Kulturinstitution. Bei den die Baumaßnahmen begleitenden archäologischen Untersuchungen haben Experten nun die neuen Einblicke in die historische Stadtentwicklung gewonnen: Unter dem Keller des ehemaligen TheaterFigurenMuseums stießen sie auf die Reste eines massiven Gebäudes aus dem Mittelalter.
Ein turmartiges Haus auf Findlingen
Aus den erhaltenen Strukturen des aus kleinformatigen und nur sieben Zentimetern hohen Backsteinen bestehenden Mauerwerks geht hervor, dass es einen Grundriss von 10,5 Mal 9 Metern mit einer Mauerstärke von eineinhalb Metern besaß. Ursprünglich entsprach das, was heute der Keller des TheaterFigurenMuseums ist, dem Erdgeschoss dieses Gebäudes, denn das Straßenniveau wurde in jüngerer Zeit deutlich erhöht. Aus den Untersuchungen geht hervor, dass das Gebäude von der Traveseite her ebenerdig durch einen großen Torbogen zu betreten war. Dort, wo heute die Straße des Kolks verläuft, ging man im Mittelalter wieder aus dem Gebäude hinaus auf eine mit Holz befestigte Straße, die heute fast zwei Meter unterhalb des jetzigen Kopfsteinpflasters lag. Möglicherweise entsprach die heutige Höhe des Hauses Kolk 14 der des Ursprungsbaus. Somit wirkte das Haus damals wohl wie ein großer massiver Turmbau, heißt es in der Mitteilung.
Aus welcher Zeit das Backsteingebäude stammt, ging aus Elementen der Befestigung im Bereich des Fundaments hervor: Es konnte durch die Altersbestimmung von Holzpfosten und -bohlen auf dieselbe Zeit wie die Errichtung der nahegelegenen St. Petrikirche datiert werden, also in die 1170er-Jahre. Es ist somit das älteste bekannte massive Backsteinhaus der Hansestadt und eines der ältesten Nordeuropas, schreibt die Stadt Lübeck. Damit das Gebäude so knapp vor dem Hügel, auf dem die St. Petrikirche gebaut wurde, nicht in die Trave rutschte, wurde es auf Lagen großer Findlinge errichtet. Die Archäologen konnten allerdings nachweisen, dass auch dies die Absenkung des gesamten Baus in Richtung der Trave nicht verhindern konnte.
Ein frühes Kontor oder ein Priesterhaus?
Doch was hatte es mit diesem Gebäude auf sich? Die große Sorgfalt, die die umfangreichen und sehr qualitätvollen Steinsetzungsarbeiten erkennen lassen, sowie die Verwendung von Zierelementen wie einem ehemals wohl umlaufender Sockel aus abgeschrägten Formsteinen belegen: Es handelte sich offenbar um ein repräsentativ gestaltetes Gebäude. Möglicherweise war es ein frühes Kontor eines Adeligen oder reichen Kaufmanns der Handelsstadt direkt an der Trave, heißt es in der Mitteilung.
Es könnte allerdings auch von Beginn an mit der oberhalb im Bau befindlichen Kirche in Verbindung gestanden haben. Zumindest für spätere Zeit gibt es Hinweise in Schriftquellen des Stadtarchivs darauf, dass es sich um ein „Priesterhaus“ gehandelt haben könnte: Im Jahr 1287 wird demnach ein Gerhard de Kolke genannt, der möglicherweise im späten 13. Jahrhundert der Priester von St. Petri war und dort wohnte. Wenig später wurde das ihm zugeordnete Gebäude verkauft und wurde dann um 1334 als das Haus „Tu deme Kolke“ bezeichnet. Die weitere Erforschung der Mauern wird nun vielleicht mehr Licht auf die Geschichte des Gebäudes werfen, schreibt die Verwaltung der Hansestadt Lübeck abschließend.
Quelle: Hansestadt Lübeck