Fischzähne unter der Lupe: Eine Untersuchung von bronzezeitlichen Nahrungsresten aus dem heutigen Israel hat eine überraschende Handelsbeziehung aufgedeckt. Demnach wurden Doraden aus Nordägypten ins damalige Kanaan transportiert. Sie stammten den Analysen zufolge aus der Bardawil-Lagune, wo sie über viele Jahrhunderte hinweg in großem Maßstab gefangen und als Trockenfisch exportiert wurden. Interessanterweise fanden die Forscher in diesem Zusammenhang auch Spuren eines aus heutiger Zeit bekannten Effekts: Überfischung.
Heute werden sie weltweit gehandelt: Goldbrassen (Sparus aurata), auch Doraden genannt, gehören zu den beliebtesten Speisefischen. Dies beruht auf einer Jahrtausende alten Tradition, wie aus Funden bekannt ist: Im östlichen Mittelmeerraum haben die Menschen offenbar seit jeher diesen Meeresfisch geschätzt. Man könnte annehmen, dass man die Doraden lange nur in der Nähe des Fangortes verspeiste. Doch wie die Forscher um Thomas Tütken von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz nun zeigen konnten, ermöglichten besonders ertragreiche Fanggründe bereits vor 3500 Jahren einen weitreichenden Handel mit diesen Fischen.
Fischzähne lassen auf die Heimat schließen
Grundlage der Studie bildeten Funde von Doraden-Überresten aus zwölf archäologischen Fundstellen im heutigen Israel, die teils im Inland, teils an der Küste liegen und einen Zeitraum von der Jungsteinzeit bis zur byzantinischen Periode abdecken. Um herauszufinden, was es mit diesen Fischen auf sich hatte, haben die Forscher die Überreste einer Isotopenanalyse unterzogen. Dieses Verfahren kann Rückschlüsse über die Herkunft von organischem Material ermöglichen. Im Fokus standen dabei die Zähne der Doraden – sie besitzen ein kräftiges Gebiss, um Schalentiere aufknacken zu können. Wie die Wissenschaftler berichten, lassen vor allem die Signaturen der Sauerstoffisotope in den Zähnen Rückschlüsse zu: Sie können Aufschluss über die Verdunstungsrate und damit über den Salzgehalt des Umgebungswassers geben, in dem die Fische gelebt haben.
So zeichnete sich ab: Wie zu erwarten war, stammten einige der Fische von der nahen Küste des südöstlichen Mittelmeers – doch das war nur ein kleiner Anteil. Etwa drei Viertel waren hingegen in einem ungewöhnlich salzhaltigen Gewässer aufgewachsen. Wie die Forscher erklären, kommt dafür nur ein Ort in Frage: Die nordägyptische Bardawil-Lagune an der Sinai-Küste. Das 30 Kilometer lange und 14 Kilometer breite Gewässer ist nur maximal drei Meter tief und durch Küstenstrukturen weitgehend vom Mittelmeer abgetrennt. Dadurch entwickelt sich dort ein hoher Salzgehalt zwischen 3,9 und 7,4 Prozent. Die Meerbrassen schätzen dies und gedeihen dort prächtig.
Anhaltender Großhandel und strapazierte Bestände
„Die Bardawil-Lagune war offenbar eine große, fischreiche Quelle und Ausgangspunkt der Fischlieferungen nach Kanaan, dem heutigen Israel, obwohl die Doraden auch dort lokal hätten gefangen werden können”, sagt Co-Autor Andreas Pack von der Universität Göttingen. „Es gab eine Festlandroute von dort nach Kanaan, aber die Fische wurden vermutlich als Trockenfisch auf dem Seeweg transportiert”, fügt Tütken an. Die Datierungen der Überreste belegen zudem, dass der Fischhandel ausgesprochen lange florierte: rund 2000 Jahre – von der späten Bronzezeit bis in die byzantinische Periode rund 300 bis 600 n. Chr..
In diesem Zusammenhang machten die Forscher eine weitere Feststellung: Bereits ab der späten Bronzezeit wurden die gehandelten Fische immer kleiner. Wie sie erklären, handelt es sich dabei um einen bekannten Effekt: Es ist ein Zeichen für zunehmende Befischung von Beständen. „Fischfang und Fischhandel haben offenbar stark zugenommen, so stark, dass die Tiere nicht mehr so groß wurden”, so Tütken. Neben dem weitreichenden Handel mit Fischen zeigt sich somit auch eine weitere interessante Parallele zu unserer heutigen Zeit: Offenbar hat der Mensch schon früh bestimmte Fischbestände deutlich strapaziert