Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Wie die Körperpolizei ihren Weg findet

Immunsystem

Wie die Körperpolizei ihren Weg findet
Um die zielgerichtete Wanderung von Immunzellen (blau) zu verdeutlichen, wurden ihre Bewegungsbahnen nachgezeichnet. © Jonna Alanko/Science Immunology

Auf ihren gesundheitlichen Missionen müssen sie möglichst effektiv von A nach B gelangen. Dazu zeigen sich Immunzellen offenbar gegenseitig ihren Weg zum Ziel, geht aus einer Studie hervor. Grundsätzlich orientieren sie sich dabei an Signalstoffen, die vom Ziel ausgehen. Durch die Aufnahme dieser Moleküle verstärken sie dann allerdings den Gradienten der Hinweissubstanzen in ihrem Umfeld und erhöhen damit den richtungsweisenden Effekt. Dieser neue Einblick in die Mechanismen des Immunsystems könnten auch eine medizinische Bedeutung besitzen, sagen die Forscher.

Bösartige Mikroben, Giftstoffe, Krebszellen …: Wenn unser Immunsystem nicht fortlaufend gesundheitsschädliche Akteure in Schach halten würde, wäre im Körper bekanntlich schnell die Hölle los. Die erstaunliche Effektivität der „Körperpolizei“ beruht dabei auf faszinierenden Konzepten, die bereits seit langem Gegenstand der Forschung sind. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die komplexe Koordination der Bewegungen der unterschiedlichen Einheiten der Immunzellen im Körper. Noch immer gibt es allerdings zahlreiche offene Fragen dazu, wie sie sich bei ihren Missionen orientieren und gezielt durch die Körpergewebe wandern.

Im Fokus der Studie der Forscher um Jonna Alanko vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg stand dabei nun eine spezielle Einheit der Körperpolizei: Die sogenannten dendritischen Zellen fungieren als Vermittler zwischen der ersten Reaktion auf Eindringlinge – der angeborenen Immunantwort – und der adaptiven Immunantwort: einer verzögerten Reaktion, die auf bestimmte Keime abzielt und Erinnerungen zur Abwehr künftiger Infektionen schafft. Für diese Aufgabe patrouillieren die dendritischen Zellen durch die Körpergewebe und werden aktiv, wenn sie einen potenziellen Krankheitsherd entdeckt haben: Um ihn zu „melden“, wandern sie dann zum nächstgelegenen Lymphgewebe, wo sie eine Art Schlachtplan für die weitere Entwicklung der Immunreaktion vermitteln.

Nicht nur passives “Erschnüffeln” des Weges

Grundsätzlich schien bereits klar, dass die dendritischen Zellen den Weg anhand von Signalproteinen finden, die von den Lymphknoten ausgehen. Bisher nahm man an, dass sie dabei schlicht dem Gradienten dieser sogenannten Chemokine folgen – sie bewegen sich auf den Bereich mit der höheren Konzentration zu. Die Immunzellen besitzen für dieses wegweisende Signalmolekül ein „Näschen“: Der Rezeptor „CCR7“ sitzt auf ihren Oberflächen und reagiert auf das Chemokin. Mit diesem System haben sich die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Studie nun erneut genauer befasst. Sie untersuchten dabei die Abläufe durch molekularbiologische Verfahren und Markierungen der relevanten Moleküle.

Anzeige

„Wir konnten nun zeigen, dass der CCR7-Rezeptor das Chemokin nicht nur wahrnimmt, sondern auch aktiv zur Gestaltung der Verteilung seiner Konzentrationen beiträgt“, sagt Alanko. Denn mithilfe ihrer Nachweistechniken konnten die Forscher dokumentieren, wie sich dendritische Zellen bei ihrer Wanderung Chemokine über den CCR7-Rezeptor aktiv einverleiben. Wie das Team erklärt, führt dies zu einer lokalen Reduzierung der Chemokinkonzentration. Das kann dann den wegweisenden Effekt verstärken: Der Kontrast wird deutlicher und die Zelle kann bei ihrer Bewegung effektiver auf das Ziel zusteuern.

Möglicherweise weitreichende Bedeutung

Um die Bedeutung des Mechanismus für die Zellbewegung und -dynamik genauer herauszuarbeiten, führten die Wissenschaftler auch Computersimulationen auf der Grundlage der gewonnenen Informationen durch. Wie sie berichten, spiegelte sich in den Ergebnissen wider, dass der Effekt nicht nur einzelnen Zellen als Orientierungshilfe dienen kann. Gemeinsam erzeugen viele der Immunzellen offenbar eine Art großen Wegweiser: „Je mehr Zellen es gibt, desto stärker ist der Gradient, den sie erzeugen. Es zeigt sich eine kollektive Natur dieses Phänomens“, sagt Co-Autor Can Ucar vom ISTA.

Sie fanden zudem erste Hinweise darauf, dass das Konzept auch bei der Bewegung anderer Immunzellen eine Rolle spielt: Demnach könnte auch die Orientierung von T-Zellen – Immunzellen, die schädliche Keime zerstören – von diesem selbst erzeugten Gradienten-Konzept geprägt sein. Anders als bisher angenommen könnten Immunzellen demnach nicht nur auf Chemokine passiv reagieren, sondern spielen eine wesentlich aktivere Rolle, indem sie die Signale aufnehmen und damit ihre Umgebung gestalten. Dies könnte ihre eigene Bewegung sowie der anderer Immunzellen in einer wichtigen Weise beeinflussen. „Die nun laufende Forschungsprojekte werden uns jetzt hoffentlich mehr Aufschluss über dieses neuartige Interaktionsprinzip zwischen Zellpopulationen geben“, sagt Ucar.

Letztendlich könnte in der Entdeckung damit auch medizinisches Potenzial stecken, sagen die Wissenschaftler: Es könnten neue Ansatzpunkte deutlich werden, die es vielleicht ermöglichen, Immunzellen besser an bestimmten Stellen zu leiten, wie etwa zu Tumoren oder Infektionsherden.

Quelle: Institute of Science and Technology Austria, Fachartikel: Science Immunology, doi: 10.1126/sciimmunol.adc9584

Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Glim|mer  〈m. 3〉 1 Schimmer, dezenter, sanfter Glanz 2 〈Min.〉 Gruppe monokliner Minerale, z. B. Muskovit u. Biotit; … mehr

uni|va|lent  〈[–va–] Adj.; Chem.〉 einwertig

Kap|pe  〈f. 19〉 1 enganliegende Mütze mit od. ohne Schild 2 fest aufsitzender, über den Rand des zu bedeckenden Gefäßes reichender Deckel … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige