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Das Leben zwischen Gott und Genen

Allgemein

Das Leben zwischen Gott und Genen
Was ist Leben? Die Gäste bei „ Wissenschaft live” im Deutschen Museum in Bonn forderten von den Experten Antworten – und Glaubensbekenntnisse.

Von Mars bis Moses, von Mikroben bis Menschen – so groß wie das Thema, so breit war das Spektrum der Fragen bei der vierten Veranstaltung “Wissenschaft live”, einer Aktion des Deutschen Museums in Bonn, des Bonner Generalanzeigers und der Redaktion von bild der wissenschaft.

“Was ist Leben, und wie funktioniert es”? Darüber diskutierten die Nobelpreisträgerin Prof. Christiane Nüsslein-Volhard vom Max-Planck-Institut in Tübingen und der Evolutionsforscher und Philosoph Prof.

Bernd-Olaf Küppers von der Universität Jena mit den Gästen im Museum – Küppers im direkten Kontakt mit den Fragestellern, Nüsslein-Volhard via Bildtelefon, das die Telekom eigens zwischen Bonn und Tübingen geschaltet hatte.

Unter den Besuchern waren auch die Schüler der 12. und 13. Klasse des Leistungskurses Biologie vom “Collegium Josephinum”, das vom Priesterorden der Redemptionisten geleitet wird. Die Schüler hatten sich mit ihrem Kursleiter Winfried Wagner intensiv vorbereitet.

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Moderator Ranga Yogeshwar brachte die Diskussion zwischenzeitlich auf den Punkt: “So wie wir heute über das Entstehen und die Entwicklung des Lebens reden, hätten wir uns noch vor gar nicht langer Zeit an den Rand des Scheiterhaufens gebracht.”

Schnell war klar: Was Leben eigentlich ist, läßt sich bis heute nicht eindeutig beantworten. Prof. Küppers: “Wo die Grenze überschritten wird zwischen Physik und Chemie auf der einen Seite und Biologie auf der anderen, ja, ob es überhaupt eine scharfe Grenze gibt, oder ob die Übergänge fließend sind zwischen ,noch nicht ganz lebendig` aber auch ,nicht mehr ganz tot`, das kann keiner sicher sagen.”

Frühere Kriterien wie Stoffwechsel, Wachstum oder die Fähigkeit zur Fortpflanzung haben sich zur Lebensdefinition längst als unzulänglich erwiesen. Denn auch eindeutig unbelebte Dinge wachsen, vermehren sich oder tauschen mit ihrer Umwelt Stoffe und Energie aus. Die Frage, ob das Leben auf der Erde oder vielleicht doch auf dem Mars entstanden ist, von dem es dann mit Meteoriten auf unseren Globus gefallen sei, hält Küppers für zweitrangig, bevor nicht geklärt sei, “wie es überhaupt entstehen konnte. Welche physikalischen und chemischen Voraussetzungen mußten gegeben sein, damit sich Moleküle zusammenfinden, sich zu organisieren beginnen und dauerhafte Verbände bilden, die die in ihnen enthaltene Information auch noch weitergeben können?”

Übereinstimmend beantworteten Küppers und Nüsslein-Volhard die Frage, ob es möglich sei, eine lebendige Zelle in all ihre molekularen Bestandteile zu zerlegen und anschließend wieder zu einem lebenden System zusammenzufügen: “Das geht nicht”, ist die Tübinger Professorin überzeugt, “dafür ist das Leben zu komplex, sind ganz bestimmte Muster einzuhalten und ganz bestimmte Programme in der richtigen Reihenfolge abzurufen.”

Allenfalls bei einfachen Viren würde das funktionieren, bestätigte Küppers. Deren isolierte Einzelteile können sich spontan wieder zu einer Einheit organisieren, die die gleichen Eigenschaften hat wie das Ausgangsvirus. Ob ein Virus aber lebt oder doch nur ein Kristall mit besonderen Eigenschaften ist, darüber streitet die Wissenschaft seit Jahren.

Konkreter wurde die Diskussion auf der nächsthöheren Stufe des Lebendigen, bei den Fragen nach dem Nutzen der Nobelpreisgekrönten Erkenntnisse von Prof. Nüsslein-Volhard. Sie hat geklärt, wie aus einem befruchteten Ei – das aus nicht mehr besteht als ein paar Erbgutmolekülen, einem bißchen Fett und Wasser – ein lebendiger Organismus wird, und wie prinzipiell gleiche genetische Programme einmal eine Fliege, ein anderesmal einen Menschen wachsen lassen.

Georg Hellmann vom Collegium Josephinum wollte wissen, ob diese Erkenntnis eines Tages für die Medizin nützlich sein könnte. “Im Prinzip ja”, meinte Nüsslein-Volhard. “Wenn man weiß, wie die Entwicklung eines Organismus gesteuert wird, kann man vielleicht eines Tages Entwicklungsstörungen frühzeitig erkennen und beeinflussen, kann Mißbildungen vermeiden oder Krebs verhindern. Aber bis dahin ist noch sehr viel Arbeit zu leisten.”

Georg Reinartz fragte: “Wird das Klonen von Menschen und Tieren möglich – zum Beispiel von Sauriern wie im Spielfilm ,Jurassic Park` -, wenn man alle genetischen Informationen hat?”

Die Professorin mußte eine Bildungslücke gestehen: “Ich kenne den Film nicht.” Sie war aber sicher, daß eine solche Technik reine Science-fiction bleiben wird: “Die Gene allein reichen nicht. Das Entwicklungsprogramm wird ganz wesentlich von seinem Umfeld in der Zelle gesteuert, Unterprogramme werden in einer ganz bestimmten Reihenfolge in Wechselwirkung zwischen Erbgut und Zellplasma an- und abgeschaltet. Die Koordinierung ist so unendlich komplex, bis am Ende ein lebensfähiger Organismus entsteht, mit allen Körperteilen und Organen an den richtigen Stellen und allen Lebensfunktionen wie Atmung und Kreislauf und Stoffwechsel – das ist mehr als nur das Zusammenfügen der richtigen Gene.”

Ob ihre Erkenntnisse über die Genetik der Fruchtfliege Drosophila dazu beigetragen hätten, die Evolutionstheorie zu bestätigen, wollte Gunnar Gerhards wissen. Daran ließ Nüsslein-Volhard keinen Zweifel: “Der Vergleich des Erbguts verschiedener Tiere zeigt viele Ähnlichkeiten, und anhand der Unterschiede lassen sich systematische Stammbäume nachzeichnen – vom Menschen über die anderen Wirbeltiere bis herunter zu den ältesten bekannten Mikroorganismen. Die Theorie von der Evolution des Lebens und der Artbildung ist wohl heute nicht mehr zu erschüttern.”

Matthias Cosmovici hakte nach: “Macht also die Evolution den Glauben an Gott überflüssig?”

“Man kann an beides glauben”, gestand Christiane Nüsslein-Volhard zu, “wenn man bereit ist, die Bibel und die mosaische Schöpfungsgeschichte nicht wörtlich zu nehmen.

Aber es ist richtig, daß Darwin – ein Pfarrerssohn – mit der Entwicklung der Evolutionstheorie den Glauben an Gott ablegte.” “Das Problem der Religionen ist es”, ergänzte Küppers, “daß sie an absoluten Konzepten festhalten, während die Wissenschaft immer deutlicher zeigt, daß es nichts Absolutes gibt: Keine absolute Zeit, keinen absoluten Raum, keine absoluten Objekte.” Die Folgerung für den Philosophen: “Man sollte Theologie und Wissenschaft nicht miteinander vermengen.”

Jürgen Nakott

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